Saison 2019/2020

FRAGILE STATE

There is a crack in everything
That’s how the light gets in
(Leonard Cohen)

Fragilität bezeichnet einen Zustand der Verletzlichkeit. Fragilität wird als Bedrohung für Werte, Systeme, Lebensweisen, aber auch Staaten oder die menschliche Psyche verstanden, die als schutzwürdig gelten. In diesem Sinne kann unsere Gegenwart als fragil beschrieben werden. Kategorien, Ordnungen, Erwartungen, Entwürfe werden fluider, instabiler, unsicherer, ja sie lösen sich auf. Das vermeintlich Selbstverständliche zeigt sich zunehmend in seiner Verletzlichkeit. Muss das was Schlechtes sein?

Fragilität zeigt sich schon beim Subjekt: Wir beobachten ein verunsichertes und bedrohtes Selbst in einer unübersichtlichen und risikoreichen Konkurrenzgesellschaft. Einfache Identitätskonstruktionen werden brüchig. Es zeigen sich in dieser Fragilität jedoch auch Potentiale prozess-offener, vielschichtigerer Konzeptionen des Selbst.

Was bislang als relativ konsistente, homogene und überschaubare Gesellschaft erschien, ist heute in Subgruppen und vielfältige „communities“ ausdifferenziert, die sich oft abgeschottet,  polarisiert und beziehungslos gegenüberstehen. Insbesondere die Entfaltung der neuen Kommunikations- und Informationslandschaften trägt dazu maßgeblich bei und bietet zahllose neue Entfaltungsräume, aber auch das Potential zur Entsolidarisierung.

Fragilität erfasst auch die staatliche Ordnung und vermeintlich stabile gesellschaftliche Rahmenbedingungen: Gerade liberale Demokratien gelten als zunehmend fragil, ihre Institutionen und der Universalismus der Grundrechte verlieren ihre bisher als so selbstverständlich angesehene stabile Stellung. Darüber hinaus zeigt sich die Fragilität der Ökosysteme und natürlichen Lebensgrundlagen mit zunehmender Deutlichkeit.

Schließlich kann auch die Realität selbst, als gemeinsam wahrgenommene Wirklichkeit, als zunehmend porös und fluid angesehen werden. Zu den bereits bekannten „analogen“ die Wahrnehmung modifizierenden Phänomenen, ob psychologisch, religiös oder durch bewusstseinserweiternde Techniken geprägt, treten nun „Deep-Fakes“ und „Augmented Reality“. Die Hierarchie zwischen Realität und Fiktion wird damit auf eine neue Probe gestellt.

Der Salon in Gesellschaft widmet diesen Phänomenen und Tendenzen in der Saison 2019/2020 einen Schwerpunkt und versucht am Begriff der Fragilität Selbstverständnisse und Handlungspraxen unserer Zeit zu diskutieren.